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Permakultur und Erfolgsdruck

Immer wieder stoße ich in meinen Workshops oder Einzelberatungen auf den Druck, den sich viele machen: "was genau muss ich machen, ich bin völlig überfordert" oder "wie fange ich richtig an"?
Oft gehen wir auseinander und die Leute sagen "jetzt bin ich aber echt erleichtert".
Wie in unserer Gesellschaft üblich, herrscht selbst beim Thema Garten immenser Erfolgsdruck und Permakultur klingt wie eine Methode, wie man den Garten kontrolliert dazu bringen kann, möglichst schnell sehr produktiv zu sein.
Hügelbeet hier, Kompost da, wie mulche ich korrekt, was muss ich genau tun, welche Pflanzen muss man wohin setzen und was tue ich genau gegen Schädling XY? Wenn man dazu noch einen besonders erfahrenen Gärtner in der Familie oder Nachbarschaft hat, ist man oft geradezu überladen mit irgendwelchen Gärtnerregeln. Bloß nichts falsch machen, sonst geht alles den Bach runter!

Gestern begegnete mir ein dazu wunderbar passender Satz, den ich mir jetzt überall hinschreibe: freue Dich, wenn etwas nicht gelingt, dadurch bilden sich neue Synapsen.

Mein Ansatz ist, erstmal einfache Grundlagen zu vermitteln: was macht die Natur eigentlich, wenn wir nicht dauernd drin rumpfuschen, was passiert von selbst im Boden und wie wachsen Pflanzen ohne dauernde Manipulation? Manchmal kommt dabei schon die Erkenntnis: hm, irgendwie machen doch viele der althergebrachten Gärtnerregeln gar keinen Sinn, oder?

Permakultur ist keine weitere Methode des effizienten Gärtnerns, sondern viel mehr eine Haltung: ich erkenne, dass ich als Mensch viel zu viel zur Kontrolle neige, deshalb lehne ich mich erstmal beobachtend zurück und lerne von der Natur. Und stelle dabei dauernd fest, dass das was in Gartenbüchern steht, auf falschen Annahmen basiert.

Trotzdem meldet sich auch meine innere Stimme stetig: tu doch was, Du musst dies und das anders machen, mehr arbeiten, mehr jäten, mehr pflanzen usw. Wir alle wurden sozialisiert in einer Welt, in der Abwarten, Beobachten und Kontrolle abgeben als faul, schlampig oder schlimmere Dinge betitelt werden. Man glaubt nicht, wie viel körperlichen Schmerz und Unmut andere Leute empfinden können, wenn sie bei mir Unkraut in den Fugen oder vertrocknete Pflanzen entdecken... (Tipp: dagegen hilft es, Schilder aufzustellen mit "Naturgarten" oder "ich bewässere hier mit Absicht nicht").

Gegen falsche Erwartungshaltungen helfen die Prinzipien der Permakultur, unter anderem das Prinzip Nr. 1: Beobachte und interagiere.
Das kann man nicht wichtig genug nehmen, aber gerne verfällt man wieder in die alten Muster des blinden Dauer-Aktionismus.
Das Verstehen und Beobachten hört aber nie auf, man ist nie "fertig". Ich gärtnere jetzt anders als vor einem Jahr und nächstes Jahr vermutlich wieder anders.
Es ist hart, zuzuschauen, wenn der Kohl von Raupen kahl gefressen wird - aber spannend, welche Gegenspieler auftauchen, wie die Pflanze neu austreibt und wie die älteren Kohlpflanzen scheinbar daraus gelernt haben, sich selbst zu verteidigen.

Buchtipp zum Thema: "Der große Weg hat kein Tor" von Masanobu Fukuoka, eines der Grundlagenbücher über Permakultur und "Nichts-Tun-Landwirtschaft"